Der Anfang des letzten Jahrhunderts war unter anderem von der Suche nach einer Fundierung der Grundlagen der Mathematik geprägt. Ein Weg, der wie wir heute wissen, von Irrglauben, zahlreichen Irrtümern und unerwarteten und höchst unangenehmen Überraschungen geprägt war. Anstatt in einem trockenen Textbuch mit literaturwissenschaftlich korrekten Zitaten versucht hier ein Autorenteam diese Geschichte in einem Comic über das Leben von Bertrand Russell zu erzählen.
Die Autoren sind zwei Mathematiker und zwei Comicmachern aus Griechenland. Den Computer Scientist schlage ich hier mal der Mathematik zu. Theoretische Informatik enthält mehr Logik als die meisten Mathematiker in ihrem Studium sehen.
Das Werk heißt "Logicomix *", hat eine Webseite und ist bei jedem Onlinebuchhändler der Wahl für etwa 17,-- EUR in Englisch zu bekommen. Eine deutsche Übersetzung ist Ende August 2010 für 24,90 EUR erscheinen.
Ein paar Kommentare zu dem ersten mathematischen Comic in Buchstärke (konkurriert deshalb natürlich nicht mit xkcd :-) ), den ich gelesen habe:
- Lesen! Macht bestimmt jedem mathematisch Interessierten sehr viel Freude, der nicht eine Aversion gegen Bildgeschichten hat.. Eine Pflichtveranstaltung für alle, die populärwissenschaftliche Mathematikbücher mögen. Und anders als bei halbgaren Vereinfachungswerken lernen hier die meisten wirklich etwas. Die Mathematikgeschichte kommt selbst im Studium in aller Regel etwas kurz.
- Zwei großartige Ideen. Einmal einen Comic als Format zu wählen, das schränkt intellektuelle Abwege schon einmal stark ein. Zweitens als eine von zwei geschachtelten Rahmengeschichten einen fiktiven Vortrag von Bertrand Russell über sein Leben zu konstruieren.
- Warum Russell? Russell hat zusammen mit Whitehead die "Principia Mathematica" geschrieben, ein Werk mit dem Mathematik "endlich" auf auf ein solides, d.h. formalisiertes Fundament gestellt werden sollte. Das ist in einem gewissen Sinne auch gelungen, aber auch die schwierigen Seiten werden dabei offen gelegt. Fast 300 Seiten, um "1+1=2" zu beweisen, erscheint zunächst unangemessen, aber es ist der Preis für eine korrekte Formalisierung.
- Gödel hat dem Konzept der "Wahrheit durch Formalisierung" mit seiner Arbeit "Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematika" einen Todesstoß versetzt. Das wird in Logicomix sehr schön inszeniert.
- Logicomix ist kein Geschichtsbuch, manche Sacherverhalte sind gewollt unrichtig. Die Autoren schreiben im Epilog, sie wollten Ideen zusammenbringen nicht historische Tatsachen. Hilbert war sicher nicht bei Gödels Vortrag in Wien anwesend (aber John von Neumann, was mir neu war), aber für die Dramaturgie der Geschichte ist es eine phantastische Idee.
- Russel wird allerdings allein auf sein mathematisches werk reduziert, obwohl er seine seine größten Meriten außerhalb der Mathematik erworben hat. Sein wirklich lesenswertes Standardwerk "Philosophie des Abendlandes", ein frecher Cross-Over über die wichtigsten klassischen Philosophen ist immer noch ein "must read". Ach ja, und dann ist da auch noch ein Nobelpreis für Literatur (wieviele Mathematiker haben eigentlich einen Nobelpreis bekommen?)
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